Christian Thomasius
Christian Thomasius – geboren 1655 in Leipzig, gestorben 1728 in Halle (Saale) – war ein deutscher Jurist und Philosoph. Mit seinem publizistischen und akademischen Wirken forcierte er neue Bildungsideale und ebnete damit einer programmatischen Wende in der Wissenschaft den Weg. Von einer von der scholastischen Theologie und Philosophie emanzipierten kulturellen Identität ausgehend, die auf der konkreten Erfahrung des Menschen gründet, öffnet er bereits den Blick auf ein Paradigma der beginnenden Aufklärung – das Subjekt in seiner Gemeinschaft als Movens und dessen Wohl als Zweck aller Wissenschaft [1].
So entwickelt er in seiner Beteiligung am Aufbau der Universität Halle (Saale) Ansätze zu einem Umbau der scholastischen Lehranstalt zu einer modernen Ausbildungsuniversität. Universitäres Wissen wird bei Thomasius nicht mehr in erster Linie im Rahmen des polyhistorischen Ideals der Gelehrsamkeit, sondern praxiologisch zur Selbstbehauptung eines als bürgerlich verstandenen Individuums begriffen. Die gelehrte Fähigkeit der Urteilsbildung soll daher nicht mehr vorrangig der Einordnung des Wissens in eine universale Enzyklopädie dienen, sondern der kritischen Selektion im Hinblick auf den gesellschaftlichen Nutzen [2].
Zu diesem Zweck lehnt er die im zeitgenössischem akademischen Umfeld verbreitete Verstellung ab und forciert die Ideale der Kooperation und Transparenz. An die Stelle einer bloßen Archivierung des universitären Wissens soll dessen publizistische Zirkulation treten, die bei Thomasius in seiner Adressierung eines über die Gelehrtenkreise hinausgehenden Publikums zum Ausdruck kommt [3].
Die Thomasius-Stiftung für internationale Bildung und Wissenschaft gGmbH folgt im Hinblick auf ihre grenzüberschreitende Arbeit den Zielen im Wirken Thomasius‘, dem Ideal der Kooperation, des Wissens als Wert im Dienste der Gemeinschaft, sowie der Bildung des Individuums als verantwortungsvolles Mitglied der Gesellschaft.
[1] Vgl. Tomasoni, Francesco: Christian Thomasius. Geist und kulturelle Identität an der Schwelle zur europäischen Aufklärung. Münster 2009, S. 40f.
[2] Vgl. Jaumann, Herbert: Untersuchungen zur Geschichte der Literaturkritik zwischen Quintilian und Thomasius. Leiden, New York, Köln 1995, S. 276-303.
[3] Vgl. Scholz, Leander: Das Archiv der Klugheit. Strategien des Wissens um 1700. Tübingen 2002, S. 43-104.